von Markus Matt
Eine mögliche Scheinselbstständigkeit von Auftragnehmern bedeutet für Unternehmen ein grundsätzliches Risiko, denn sie ist nicht einfach zu identifizieren und kann bei falscher Einschätzung zu erheblichen Konsequenzen führen. Sie kann bei selbständigen Dienstleistern auftreten, wenn deren Tätigkeit für ein Unternehmen nachgelagert als abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingestuft wird. In diesem Beitrag wird erläutert, worauf geachtet werden sollte, um die Gefahr einer Scheinselbständigkeit abzuwehren.
Das Problem der Scheinselbstständigkeit ergibt sich häufig in Situationen, in denen Unternehmen Auftragnehmer als vermeintlich Selbstständige beauftragen, um Kosten zu sparen oder um die Flexibilität in der Arbeitsorganisation zu erhöhen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Freelancern oder Einzelunternehmern bestimmte Aufgaben übertragen werden, die zuvor fest angestellte Mitarbeiter erledigten. Werden diese Dienstleister in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingebunden und müssen Weisungen des Auftraggebers folgen, kann deren Selbstständigkeit bereits in Frage gestellt werden.
Die Einstufung als Scheinselbstständiger kann weitreichende Folgen haben. Sollte die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung feststellen, dass ein Auftragnehmer tatsächlich scheinselbstständig tätig war, drohen dem Unternehmen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, die der Arbeitgeber für den vermeintlich selbstständigen Auftragnehmer hätte abführen müssen. Diese Nachforderungen können bis zu vier Jahre rückwirkend geltend gemacht werden und im Falle von Vorsatz sogar über einen noch längeren Zeitraum.
Zusätzlich zu den finanziellen Risiken drohen bei der Feststellung von Scheinselbstständigkeit auch strafrechtliche Konsequenzen. Unternehmen, die bewusst oder fahrlässig scheinselbstständige Arbeitsverhältnisse fördern, können wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt belangt werden.
Außerdem kann das Arbeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer rückwirkend in ein reguläres Arbeitsverhältnis umgedeutet werden. In der Folge kann der Auftragnehmer alle Rechte eines Arbeitnehmers beanspruchen, beispielsweise den Anspruch auf Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz.
Um das Risiko einer Scheinselbstständigkeit zu minimieren, sollten Unternehmen die wichtigsten Indizien kennen, welche darauf hindeuten könnten:
Eingliederung in die Arbeitsorganisation
Der Auftragnehmer ist eng in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers eingebunden, etwa durch die Nutzung von dessen Arbeitsmitteln oder das Arbeiten nach festgelegten Arbeitszeiten.
Weisungsgebundenheit
Der Auftragnehmer unterliegt in seiner Tätigkeit den Weisungen des Auftraggebers mit Blick auf die Art der Ausführung sowie Ort und Zeit der Tätigkeit.
Keine unternehmerischen Risiken
Der vermeintlich Selbstständige trägt keine unternehmerischen Risiken, wie z.B. das Risiko von Verlusten oder Investitionen.
Keine eigene Betriebsstätte
Der Auftragnehmer verfügt weder über eine eigene Betriebsstätte noch über wesentliche eigene Arbeitsmittel, sondern nutzt stattdessen die Ressourcen des Auftraggebers.
Kein unternehmerisches Auftreten
Der Auftragnehmer hat in der Regel nur einen Auftraggeber und tritt nicht am Markt als Unternehmer auf. Es fehlen Aktivitäten wie Werbung, Akquise oder das Angebot von Dienstleistungen an Dritte.
Im Umkehrschluss gibt es klare Indizien, die für eine tatsächliche Selbstständigkeit sprechen:
Ein bewährtes Mittel zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit ist das Statusfeststellungsverfahren, das bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden kann. In diesem Verfahren wird geprüft, ob ein Vertragsverhältnis als selbstständige Tätigkeit oder als abhängige Beschäftigung einzustufen ist.
Der Prozess beginnt mit der Antragstellung, die entweder vom Auftragnehmer oder Auftraggeber bei der Deutschen Rentenversicherung eingereicht wird. Dies kann auch rückwirkend für bereits abgeschlossene Tätigkeiten erfolgen. Anschließend prüft die Deutsche Rentenversicherung die tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitsverhältnisses. Dabei werden die Indizien für Selbstständigkeit oder Scheinselbstständigkeit detailliert untersucht.
Nach Abschluss der Prüfung trifft die Deutsche Rentenversicherung eine Entscheidung darüber, ob es sich um eine selbstständige Tätigkeit oder um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Diese Entscheidung hat bindende Wirkung und sorgt für Rechtssicherheit auf beiden Seiten. Sollte festgestellt werden, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, müssen rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden.
Das Ergebnis dieses Verfahrens bietet eine verlässliche Grundlage für die weitere Vertragsgestaltung und hilft Unternehmen, Unsicherheiten auszuräumen und sich gegen mögliche Nachforderungen abzusichern.
In den letzten Jahren gab es zahlreiche Gerichtsurteile zur Scheinselbstständigkeit, die für Arbeitgeber relevant sind. In vielen Urteilen wurden vermeintlich selbständige Tätigkeiten als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse eingestuft, wenn bestimmte Kriterien wie Weisungsgebundenheit, Eingliederung in betriebliche Abläufe und fehlendes Unternehmerrisiko vorlagen. In vielen verhandelten Fällen mussten Unternehmen unter anderem erhebliche Nachzahlungen für Sozialversicherungsbeiträge leisten.
Auch deshalb ist es aus Unternehmersicht wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen und Urteile im Blick zu behalten, um das Risiko von Nachzahlungen und rechtlichen Auseinandersetzungen zu minimieren.
Insbesondere bei der Beschäftigung von freien Mitarbeitern oder bei der Vergabe von Aufträgen an Einzelunternehmen sollte genau geprüft werden, ob eine Sozialversicherungspflicht besteht.
Arbeitgeber sollten das Thema Scheinselbstständigkeit ernst nehmen und ihre Vertragsverhältnisse regelmäßig überprüfen lassen. Eine frühzeitige rechtliche Beratung und die Beachtung der geltenden Vorschriften können Risiken vermeiden.
Scheinselbstständigkeit birgt erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken für Unternehmen, da sie oft als abhängige Beschäftigung eingestuft wird. Dies kann zu Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und strafrechtlichen Konsequenzen führen.
Typische Anzeichen sind die Eingliederung in betriebliche Abläufe, Weisungsgebundenheit und fehlende unternehmerische Risiken. Das Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung bietet Rechtssicherheit.
Gerichtsurteile zeigen, dass vermeintlich Selbstständige oft als Arbeitnehmer beurteilt werden – mit allen Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen.
Unternehmen können bis Ende 2024 eine steuerfreie Prämie zur Abmilderung der Inflation an ihre Beschäftigten auszahlen. Diese „Inflationsausgleichsprämie“ soll helfen, die Auswirkungen der gestiegenen Verbraucherpreise abzufedern. Allerdings kommt es immer wieder zum Ausschluss bestimmter Personengruppen von dieser Prämie, in einem kürzlich vor dem Arbeitsgericht verhandelten Fall aufgrund einer Elternzeit.
Im Fall vor dem Arbeitsgericht Essen hatte ein Arbeitgeber einer Mitarbeiterin in Elternzeit die Inflationsausgleichszahlung zu großen Teilen verweigert und ihr nach ihrer Rückkehr in Teilzeit lediglich einen geringen Anteil der Prämie gewährt. Die Grundlage für diesen Ausschluss bildete ein Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, in welchem festgelegt war, dass ein Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie nur besteht, wenn zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Mai 2023 Anspruch auf Entgelt bestand. Da die Mitarbeiterin in diesem Zeitraum kein Entgelt bezogen hatte, wurde ihr die volle Prämie verwehrt.
Das Arbeitsgericht Essen entschied zugunsten der Mitarbeiterin. Der Ausschluss von Beschäftigten in Elternzeit von der Inflationsausgleichszahlung ist nach Auffassung der Richter unzulässig, weil die Regelung im Tarifvertrag gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verstoße. Das
Gericht argumentierte weiter, es sei rechtlich grundsätzlich möglich, Arbeitnehmer in Elternzeit von bestimmten Leistungen auszunehmen. Im vorliegenden Fall sei dieses Vorgehen allerdings nicht sachlich gerechtfertigt.
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer gerechten und nachvollziehbaren Gestaltung von Sonderzahlungen. Unternehmen müssen darauf achten, alle ihre Beschäftigten unabhängig von ihrem individuellen Status gleich und fair zu behandeln, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.
Die Möglichkeit, eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie auszuzahlen, besteht für Arbeitgeber noch bis zum 31. Dezember 2024. Diese Prämie kann einmalig oder in Teilbeträgen ausgezahlt werden und ist bis zu einem Betrag von 3000 Euro steuer- und sozialabgabenfrei.
Arbeitgeber sollten besonders bei der Gestaltung und Anwendung von Sonderzahlungen sorgfältig auf rechtliche Rahmenbedingungen schauen. Eine unzureichende Berücksichtigung von Mitarbeitergruppen kann zu rechtlichen Auseinandersetzungen und zu erheblichen finanziellen Belastungen für das Unternehmen führen.
Unternehmen können bis Ende 2024 eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro an ihre Beschäftigten auszahlen. Ein Fall vor dem Arbeitsgericht Essen zeigte nun, dass der Ausschluss von Mitarbeitern in Elternzeit von dieser Prämie unzulässig ist, da dies gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz verstößt.
Unternehmen sollten bei der Gestaltung von Sonderzahlungen eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiter sicherstellen, um rechtliche Konflikte und finanzielle Belastungen zu vermeiden (Urteil des Arbeitsgerichtes Essen mit Aktenzeichen: 3 Ca 2231/23).
Letzte Aktualisierung: von Markus Matt
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